Veranstaltung: | Bundesjugendwerkskonferenz 2022 |
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Tagesordnungspunkt: | 7.c) Weitere Anträge |
Status: | Beschluss |
Beschlossen am: | 29.05.2022 |
Basierend auf: | A16: Neue Definition der Werte des Jugendwerks |
Neue Definition der Werte des Jugendwerks
Beschlusstext
Die Bundesjugendwerkskonferenz möge beschließen:
Solidarität, Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Toleranz und Emanzipation
bilden als zentrale Werte unser Verständnis des demokratischen Sozialismus,
bilden unsere Verbandsidentität und sind Grundpfeiler all unseren Handelns. Das
Jugendwerk definiert diese Werte wie folgt:
Freiheit
bedeutet für uns in erster Linie die Möglichkeit zur freien Entfaltung der
eigenen Persönlichkeit. Dies setzt voraus, frei von Unterdrückung, Not und Armut
zu sein. Freiheit muss in unterschiedlichen Lebensbereichen immer wieder
erkämpft, verteidigt und geschützt werden. Dennoch bedeutet Freiheit für uns
keine absolute Freiheit. In vielen Fällen muss die individuelle Freiheit
eingeschränkt werden, um das gemeinschaftliche Zusammenleben zu schützen. Auch
ist die eigene Freiheit stets durch die Freiheit anderer beschränkt.
Gleichheit
bedeutet für uns eine fundamentale Gleichheit an Würde, unabhängig von
körperlichen, psychischen und sozialen Merkmalen, jedoch nicht die
Gleichförmigkeit aller Menschen. In unseren Augen soll jeder Mensch das Leben
mit den gleichen Möglichkeiten beginnen und dadurch die Voraussetzungen haben,
die eigene Persönlichkeit im Dialog mit der Umgebung auszubilden. Das setzt
voraus, dass sich alle Menschen auf Augenhöhe begegnen. Gleichheit bedarf der
Wahrung der unantastbaren Würde jedes Menschen und ist Grundvoraussetzung für
eine gerechte Welt.
Gerechtigkeit
ist für uns dann gegeben, wenn jeder Mensch die gleichen Möglichkeiten zur
freien Entfaltung hat. Um gleiche Chancen zu gewährleisten, müssen Ressourcen
den individuellen Bedürfnissen der Menschen nach umverteilt werden. Damit
schließen wir die Wertschätzung von individuellen Leistungen nicht aus, jedoch
stehen Bedürfnis- und Chancengerechtigkeit der Menschen im Vordergrund.
Gerechtigkeit erfordert ein Bewusstsein für Gleich- und Ungleichheit und setzt
eine gesellschaftliche Aushandlung dieser auf Basis moralischer und rechtlicher
Vorstellungen voraus.
Solidarität
bedeutet für uns das gegenseitige füreinander Einstehen. Dabei übernehmen sowohl
Gemeinschaften als auch Individuen Verantwortung füreinander, ohne eine
Gegenleistung zu erwarten. Grundlage für solidarisches Handeln sind Bewusstsein
und Sensibilität für existierende Ungleichheiten und individuelle Bedürfnisse.
Trotz des individuellen Anspruchs auf Teilhabe und Unterstützung, verliert
niemand, mit dem sich solidarisiert wird, die Eigenständigkeit. Gleichzeitig
steht jeder Person frei, in welchem Maße sie sich mit anderen Personengruppen
solidarisiert. Damit ist für uns auch verbunden, dass die eigene Freiheit nicht
aufgegeben wird.
Toleranz
bedeutet für uns, andere Überzeugungen und Handlungsweisen zuzulassen, Argwohn
diesen gegenüber zu reflektieren und sie als gleichwertig neben den eigenen zu
sehen. Das Tolerieren anderer Ansichten bedeutet nicht, dass wir diesen
gegenüber eine zustimmende Haltung einnehmen. Dabei ist es uns wichtig, dass
Intoleranz nicht toleriert wird. Positionen, die unserem Werteverständnis und
den Menschenrechten fundamental entgegenstehen, können wir nicht tolerieren.
Emanzipation
verstehen wir als Selbstermächtigung aus Fremdbestimmung und äußeren
Erwartungen. Damit ist eine Mündigwerdung zu einer eigenständigen Persönlichkeit
verbunden, die ihre Menschenrechte wahrnehmen und sich gegen willkürliche
Einschränkungen verteidigen kann. Im Laufe eines Lebens finden immer wieder
individuelle Emanzipationsprozesse in unterschiedlichen Lebensbereichen statt.
Darüber hinaus können sich auch gesellschaftliche Gruppen emanzipieren.
Privilegierte und nicht betroffene Gruppen und Individuen können
Emanzipationsprozesse Anderer solidarisch unterstützen. Unser Verständnis geht
über die verengte Sicht der Emanzipation auf das Rollengefüge verschiedener
konstruierter Geschlechter hinaus.
Begründung
Das aktuelle Grundsatzprogramm (GSP) des Bundesjugendwerks der AWO wurde im Mai
2012 beschlossen. Aufgrund der innerverbandlichen Struktur und der Altersgrenze
bei 30 Jahren sind 10 Jahre nach dessen Beschluss, wenn überhaupt nur noch
wenige der damaligen Mitglieder aktiv im Jugendwerk. Um den Lebenswelten aktiver
und "neuer" Jugendwerker*innen Rechnung zu tragen, sollen auch deren Perspektive
und die daraus resultierenden verbandlichen Diskussionen und Entwicklungen in
einem neuen GSP transportiert werden. Deshalb wurde die Erarbeitung eines neuen
GSP im Jugendwerk auf der Bundeskonferenz 2020 (A24) beschlossen.
Für die Erarbeitung des neuen GSP wurde eine Kommission, bestehend aus acht
ehrenamtlichen Personen aus Gliederungen und Bundesvorstand, gebildet. Diese
Kommission konnte bisher vier Workshops auf Forenwochenenden anbieten, womit
eine Partizipation aller interessierter Akteur*innen an der Entwicklung
ermöglicht wurde.
Mit der beschlossenen Revision des GSP geht auch eine aktualisierte
Interpretation der Werte sowie ihre Reflexion im Kontext gesellschaftlicher
Transformationsprozesse einher. Daher wurden in der ersten Phase der Erarbeitung
eines neuen GSP aktuelle, konkretere Definitionen unserer sechs Werte
erarbeitet. Um den Prozess nun weiter voranzubringen, werden diese hier als
Zwischenstand zur Abstimmung gestellt.
Für jeden Wert wird zunächst unserer Verständnis beschrieben, welches wir
anschließend durch restriktive Komponenten eingrenzen. Die Definitionen bewegen
sich bewusst auf einer Metaebene – ohne konkretes Beispiel –, um eine
Allgemeingültigkeit für den Verband sowie eine situative Anwendung zu
ermöglichen.
Fassung in Einfacher Sprache
Im Jugendwerk möchten wir alles was wir tun an bestimmten Grundsätzen
ausrichten, die wir „Werte“ nennen. Diese heißen Solidarität, Freiheit,
Gerechtigkeit, Gleichheit, Toleranz und Emanzipation. Immer wenn neue Leute in
das Jugendwerk kommen, verstehen die unsere Grundsätze anders oder haben auch
neue Ideen für diese. Deshalb haben wir sie beschrieben und möchten alle fragen,
ob sie diese Beschreibung auch so sehen.