Veranstaltung: | Bundesjugendwerkskonferenz 2022 |
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Tagesordnungspunkt: | 7.c) Weitere Anträge |
Status: | Beschluss |
Beschlossen am: | 29.05.2022 |
Basierend auf: | A15: Kinderarmut auch im Jugendwerk der AWO beseitigen |
Kinderarmut auch im Jugendwerk der AWO beseitigen
Beschlusstext
Die Bundesjugendwerkskonferenz möge beschließen:
Die Jugendwerke der AWO bekennen sich zu Tradition und Herkunft von Jugendwerk
und AWO. Vor diesem Hintergrund nehmen die Jugendwerke in Zukunft insbesondere
betroffene von Kinder- und Jugendarmut noch mehr in den Focus ihrer Arbeit und
stellen Angebote zur Förderung von finanziell benachteiligten Kinder und
Jugendlichen zur Verfügung.
Die Teilnahme an allen Angeboten der Jugendwerke muss flächendeckend auch für
finanziell Benachteiligte Kinder und Jugendliche möglich sein und darf nicht
mehr vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein.
Der Vorstand und die Geschäftsstelle des Bundesjugendwerkes werden beauftragt,
das Thema Kinder- und Jugendarmut in den nächsten beiden Jahren als
Querschnittsthema in die Arbeit des Bundesjugendwerkes zu integrieren und bei
Veranstaltungen zu thematisieren.
Der Vorstand und die Geschäftsstelle werden beauftragt, im Rahmern der
politischen Außenvertretung Öffentlichkeitsarbeit des Bundesjugendwerkes das
Thema Kinder- und Jugendarmut aktiv mitzudenken sowie im Rahmern der politischen
Außenvertretung in den Diskurs einzubringen. Dies erfolgt durch die
Sensibilisierung für Ursachen von Kinder- und Jugendarmut sowie deren Folgen für
die Betroffenen.
Begründung
Fast drei Millionen Kinder und Jugendliche wachsen derzeit in Deutschland in
bitterer Armut auf, das sind über 20 Prozent! Die Armutsgefährdungsquote von
Kindern und Jugendlichen liegt noch viel höher. Durch die Folgen der
Einkommensarmut der Eltern kommt es zu verminderten soziale und kulturelle
Teilhabechancen.
Die Folgen für arme Kinder und Jugendliche sind materieller Mangel und Verzicht,
soziale Isolation, problemhafte Bildungsbiografien, geringere Inanspruchnahme
non formaler und informeller Angebote, tendenziell schlechterer
Gesundheitszustand.
Gerade in der jetzigen Situation müssen wir uns als Jugendverband und muss sich
Politik zu allererst um die Belange von Kindern und Jugendlichen kümmern. Die
Corona-Pandemie hat die prekäre Situation von Kindern und Jugendlichen aus
benachteiligten Familien ein weiteres Mal verdeutlicht. Bestehende
Benachteiligungen wiederholen sich und durch die aktuelle Krise wird die Zahl
der von Armut Betroffenen oder Bedrohten nochmals steigen.
Kinder- und Jugendarmut geht uns alle an. Sie ist kein Gendefekt, keine höhere
Gewalt und auch nicht gottgegeben. Und Armut ist nicht selbst verschuldet.
Kinderarmut wird von Menschen gemacht. In wohlhabenden Staaten wie der
Bundesrepublik existiert Armut nur, weil sie toleriert, ignoriert und bis zu
einem gewissen Grad auch politisch gewollt ist. Aber die neoliberalen
Erklärungsmuster funktionieren erschreckend gut und haben sich in den Köpfen
vieler Menschen fest verankert. Die Verantwortung für ihre Armut wird den
Individuen zugeschoben, sie gelten als faul, ruhen sich in der sozialen
Hängematte aus, anstatt ihres eigenen Glückes Schmied zu sein, sind also selbst
schuld an ihrer Situation, frei nach dem Motto „Wo ein Wille ist, ist auch ein
Weg“. Sie gelten als nutzlos, wertlos und liegen dem braven Steuerzahler auf der
Tasche. Die Betroffenen müssen also nicht nur mit geringen finanziellen
Ressourcen klarkommen. Sie verfügen zudem kaum über Mittel, um am
gesellschaftlichen Leben teilzuhaben und haben im Durchschnitt eine geringere
Lebenserwartung. Zusätzlich werden sie von der Gesellschaft diskriminiert und
ausgegrenzt. Dabei sind die Ursachen von Armut ganz andere.
Die Armutszahlen steigen und die soziale Ungleichheit wächst. Dabei handelt es
sich schon längst nicht mehr um ein Randphänomen. Strukturelle und
institutionelle Rahmenbedingungen verursachen Armut und soziale Ungleichheit,
diskriminieren und verhindern soziale Mobilität. Rahmenbedingungen sind oftmals
so gestaltet, dass Menschen ohne eigenes Dazutun in die Armutsfalle geraten und
abgehängt werden. So selektiert das Bildungswesen diejenigen, die aus armen
Elternhäusern kommen, der Arbeitsmarkt bietet für viele keine Jobs, die ihre
Existenz sichern können, bezahlbarer Wohnraum und sozialer Wohnungsbau ist kaum
vorhanden und die Betroffenen werden in benachteiligte Stadtteile abgedrängt.
Für all diese institutionellen und strukturellen Bedingungen können die
Betroffenen nichts. Aber die Wenigsten haben eine echte Chance, sich aus der
sozial benachteiligenden Lebenslage zu befreien. Anstatt das Problem bei den
Wurzeln zu packen, zielt die Mehrzahl der politischen Maßnahmen darauf ab,
individuelles Verhalten zu ändern. Anstatt den Fokus auf das individuelle
Verhalten zu legen, gilt es vielmehr, sich auf die Veränderung der Verhältnisse
zu konzentrieren.
Fassung in Einfacher Sprache
Wir wollen, dass es in Deutschland keine armen Kinder und Jugendlichen mehr
gibt. So etwas darf es in so einem reichen Land wie Deutschland nicht geben.
Hierzu wollen wir allen die Meinung sagen. Wenn wir Politiker*innen treffen,
sagen wir denen, dass sie Armut abschaffen sollen.
Im Jugendwerk sollen in Zukunft alle Kinder und Jugendlichen an allen Angeboten
teilnehmen können, auch wenn die Eltern nicht so viel Geld haben.